Heute verliert das „klassische“ Ehrenamt in Verband oder Verein zwar an Bedeutung, wird aber keineswegs verdrängt – oftmals wird gesellschaftliches Engagement gerade von jüngeren Menschen nur umbenannt in „Freiwilligenarbeit“ (vgl. Gensicke & Geiss, 2010). Zudem kamen in den vergangenen 30 Jahren neue Formen des gesellschaftlichen Engagements hinzu – gerade in den Bereichen Ökologie, Kultur, Kindergarten und Schule, Gesundheit und sexuelle Orientierung sowie im sozialen Nahbereich. Diese Pluralisierung schuf vielfältige neue Tätigkeitsbereiche für gesellschaftliches Engagement und ging Hand in Hand mit der zunehmenden Individualisierung der Lebenswelten. Lebensläufe wurden immer weniger vorstrukturiert und vorhersehbar. Traditionelle längerfristige Bindungen an soziale Herkunft, Rollenbilder, Normen und die Einbindung in Familie, Nachbarschaft, Wohnort oder Beruf lösen sich. Dadurch entstehen neue Freiheiten, aber auch neue Herausforderungen an Wertebildung, Eigenverantwortung und Selbstorganisation (Enquete-Kommission, 2002; Heinze & Olk, 1999).

Motivation, Dauer und Orte des Engagements verändern sich: Immer mehr Menschen engagieren sich ehrenamtlich, dafür nehmen Dauer und Regelmäßigkeit ihres Engagements jedoch ab. Entscheidungen bezüglich gesellschaftlichen Engagements sind nicht mehr sozial „vorherbestimmt“, sondern werden bewusster, zielgerichteter und befristet getroffen. Die Engagierten interessieren sich vermehrt für zeitlich begrenzte Einzelprojekte mit konkreten Zielsetzungen, oft gezielt um der Gewinnung neuer Kompetenzen willen. Dafür sind sie im Laufe ihres Lebens häufig in mehreren, auch unterschiedlichen Bereichen engagiert. Es ist ihnen vor allem wichtig, die Gesellschaft mitzugestalten, Kontakte zu knüpfen und Gemeinschaft zu finden. Dieses Interesse nimmt vor allem bei jungen Menschen zu. Die Engagierten suchen Tätigkeiten, die ihnen Freude bereiten und wo sie Verantwortung spüren und eigene Kenntnisse und Erfahrungen einbringen können. Darüber hinaus können moralische Verpflichtungen, religiöse oder weltanschaulichen Grundüberzeugungen oder die Bewältigung von Lebenskrisen Beweggründe für gesellschaftliches Engagement eine wichtige Rolle spielen.

Insgesamt vollzieht sich ein Wandel von pflichtbezogenen hin zu selbstbezogenen Motiven. Bevorzugt geht es um eine Bereicherung der eigenen Erfahrungen und Kompetenzen. Die Tätigkeiten sollen zur eigenen Biographie passen und an eigene Erfahrungen und Fähigkeiten anknüpfen. Diese persönlichen Motive entdeckt zunehmend auch die ältere Generation. Für Familien bietet Engagement die Möglichkeit, sich sozial in örtliche Vereinsstrukturen, ihr Wohnumfeld oder Bildungseinrichtungen zu integrieren (Beher, Liebig & Rauschenbach, 2000; Gensicke & Geiss, 2010; Heinze & Olk, 1999). Zudem können in neuen Projekten und Netzwerken Beziehungen eingegangen werden, die außerhalb von Familie und Beruf das Bedürfnis nach sozialem Halt erfüllen. Da sie bewusst gewählt werden, sind sie unter Umständen stabiler als traditionelle, von außen festgelegte Bindungen (Heinze & Olk, 1999).

Ein Anreiz sich zu engagieren, insbesondere für Arbeitssuchende und junge Menschen bis 30 Jahre ist auch, sich weiterzuqualifizieren sowie Ansehen und Einfluss zu steigern (Beher et al., 2000; Gensicke & Geiss, 2010). Gerade Studierende engagieren sich am häufigsten aus utilitaristischen Gründen. 56 %  hoffen dadurch auf bessere Chancen im Berufsleben, darunter mehr Studentinnen und Studierende aus Sozialwissenschaften, Sozialwesen, Psychologie und Pädagogik. Gut die Hälfte der Studierenden hat idealistische Motive. Besonders Studierende aus Sozialwissenschaften, Sozialwesen, Psychologie und Pädagogik (46 %) empfinden manche Fragen von solcher Bedeutung, dass man sich „einfach engagieren muss“ (Fischer, 2006, S. 22).

Fazit und Ausblick. Handlungsleitend sind verstärkt die „Reziprozität von Geben und Nehmen“ (Beher et al., 2000, S. 13), kaum mehr rein altruistische Pflichtgefühle und selbstloser Einsatz. Gemeinwohlorientierung und Selbstentfaltung müssen sich allerdings nicht ausschließen. Gerade die zwanglose Verbindung, gleichzeitig etwas für sich und für andere zu tun, mag ein Grund für die gestiegene Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement sein (vgl. Enquete-Kommission, 2002). Moderne Ehrenamtlichkeit resultiert jedoch nicht nur aus veränderten individuellen Motivationen und erweiterten Formen des Engagements, sondern auch aus einem Wandel politischer Leitbilder und Diskurse.