Empirische Erhebungen gibt es mittlerweile in beachtlicher Zahl[6], allerdings lassen sie sich kaum systematisieren oder (methodisch) vergleichen. Je nach Definition des Engagements kommt es zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass die Datenlage kein klares, differenziertes und theoretisch fundiertes Bild der Verbreitung gesellschaftlichen Engagements in Deutschland hergibt (vgl. Priller, 2011). Aufgrund seines Umfangs und der vergleichsweise sehr differenzierten Datenerhebung kann der Freiwilligensurvey, der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuletzt im Jahr 2009 von einem Umfrageinstitut durchgeführt wird, als die grundlegende Studie in Deutschland angesehen werden. Er fand bisher 1999, 2004 und 2009 statt. Neben Angaben zu Motiven und zur Engagementbereitschaft, greift er jedoch nicht nur Meinungen und Einstellungen auf: Als engagiert gilt in dieser Studie jemand, der nicht nur gemeinschaftlich aktiv ist, etwa durch Mitgliedschaft in einem Verein, sondern konkrete Aufgaben und Funktionen übernimmt.

Im Jahr 2009 gaben laut Freiwilligensurvey 71 % der deutschen Bevölkerung[7] ab 14 Jahren an in Vereinen, Organisationen, Gruppen oder öffentlichen Einrichtungen für die Gesellschaft aktiv zu sein (Gensicke & Geiss, 2010). Allerdings übernehmen nur 36 %, also die Hälfte davon, freiwillig über einen längeren Zeitraum – im Durchschnitt seit zehn Jahren – hinweg aktiv bestimmte Tätigkeiten. Die anderen nehmen zwar an Veranstaltungen teil oder sind Mitglieder in Vereinen, Gruppen oder Mannschaften, legen sich aber nicht auf eine bestimmte Aufgabe oder Funktion fest. Fast ebenso viele Menschen wie die tatsächlich Engagierten sind theoretisch bereit, sich zu engagieren. Dieser Anteil ist seit 1999 von 26 % auf 37 % angestiegen, wenngleich das tatsächliche Engagement seitdem prozentual gleich bleibt. Das Potenzial liegt hier vor allem bei den jungen Engagierten, von denen sich 25 % vorstellen könnten, ihr Engagement noch auszuweiten. Insgesamt ist die Zahl der Engagierten gestiegen, diese investieren aber weniger Zeit. Ein Drittel der Engagierten bringt bis zu zwei Stunden pro Woche, ein weiteres Drittel drei bis fünf Stunden pro Woche für die freiwilligen Tätigkeiten auf. 17 % der Engagierten investiert zwischen sechs und zehn Stunden pro Woche, knapp 10 % noch mehr in ihre freiwilligen Tätigkeiten. Dabei sind viele in mehreren Kontexten aktiv.

Hinsichtlich der Verteilung des Engagements in der deutschen Bevölkerung, zieht die Studie folgenden Schluss: “Nach wie vor ist das freiwillige Engagement bei Männern, Erwerbstätigen, jungen Leuten in der (verlängerten) Ausbildungsphase, bei höher Gebildeten und bei Menschen mit einem gehobenen Berufsprofil erhöht. Gestiegen ist das Engagement bei Menschen mit Kindern und Jugendlichen im Haushalt (Familien), vor allem aber bei älteren Menschen. Arbeitslose, Menschen mit einfachem Sozial- und Bildungsstatus und solche mit einem Migrationshintergrund üben deutlich weniger als im Durchschnitt der Bevölkerung freiwillige Tätigkeiten aus” (Gensicke & Geiss, 2010, S. 5 f.). Männer liegen vor allem in den Altersgruppen zwischen 20 und 34 und über 70 Jahren deutlich vor den Frauen und sind häufig bei Vereinen und Verbänden, Politik, Feuerwehr und Rettungsdiensten sowie berufsbezogen engagiert. Frauen haben gerade in den jungen Jahren eher die eigene Karriere und Familie im Blick. Aber auch insgesamt haben Frauen aufgrund der häufigen Doppelbelastung von Beruf und Familie etwas weniger Zeit für Engagement zur Verfügung als Männer. Betrachtet man regionale Unterschiede engagieren sich die Menschen in den alten Bundesländern häufiger als in den neuen und auf dem Land häufiger als in der Großstadt. Am stärksten bleiben die ländlichen Gebiete in den neuen Bundesländern zurück. Enorm gestiegen ist die Engagementquote dagegen bei Senioren. Besonders ist dies bei den 60- bis 69-Jährigen der Fall, die vom zivilgesellschaftlichen Aufschwung der 1960er- und 1970er-Jahre geprägt sind. Aufgrund der zunehmenden Fitness und verbesserter Bildung stellen Senioren zukünftig eine wichtige Stütze gesellschaftlichen Engagements dar.

Den größten Bereich des Engagements bildet „Sport und Bewegung“, wo 10,1 % der Deutschen engagiert sind. Größere Engagementbereiche sind weiterhin „Kindergarten und Schule“ (6,9 %), „Kirche und Religion“ (6,9 %), „soziales Engagement“ (5,2 %), „Kultur und Musik“ (5,2 %) sowie „Freizeit und Geselligkeit“ (4,6 %). Immerhin 3,1 % der Deutschen sind für die freiwillige Feuerwehr oder Rettungsdienste tätig. Andere Bereiche bleiben unter 3 % Beteiligung. Insgesamt stieg das Engagement im sozialen und gesundheitlichen, im kinder- und jugendbezogenen sowie im kulturellen und ökologischen Bereich seit dem ersten Freiwilligensurvey 1999. Das Engagement für Sport und Bewegung, insbesondere für Freizeit und Geselligkeit ging dagegen zurück. Wichtigste Organisationsform ist der Verein, in dem im Jahr 2009 47 % des freiwilligen Engagements stattfindet. An zweiter Stelle stehen kirchliche Einrichtungen.

Zu den häufigsten Tätigkeiten gehören Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, gerade in den Bereichen „Kultur und Musik“ und „Freizeit und Geselligkeit“. Im Umwelt- und Tierschutz sowie bei der freiwilligen Feuerwehr und den Rettungsdiensten sind praktische Arbeiten zentrale Aufgaben. In der Politik geht es insbesondere um Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung und Mitsprache. In der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung steht die pädagogische Betreuung im Vordergrund. Das Anforderungsniveau an Freiwillige ist eher zurückgegangen, wenngleich die Tätigkeiten vielseitiger und abwechslungsreicher geworden sind. Neben Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit speziell bei der freiwilligen Feuerwehr und den Rettungsdiensten, sind soziale und emotionale Kompetenzen, Kreativität und gutes Zeitmanagement gefragt. Vornehmlich bei Männern sind Organisationstalent, Führungsqualität und Fachwissen wichtig, auch weil sie vermehrt Leitungsfunktionen wahrnehmen.

Finanzielle Aspekte spielen im Allgemeinen eine immer kleinere Rolle. Mit Ausnahme von Engagierten aus prekären materiellen Verhältnissen, legen immer weniger Engagierte Wert darauf, Kosten erstattet zu bekommen. Nichtsdestotrotz bekommen 2009 mehr Engagierte (23 %) eine Vergütung als noch zehn Jahre zuvor (18 %), insbesondere im Bereich der Politik (43 %), bei der freiwilligen Feuerwehr und den Rettungsdiensten (42 %) und in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung (36 %). Zudem erhalten die Engagierten 2009 öfter Aufwandsentschädigungen und Sachzuwendungen, vor allem ist dies bei jüngeren Menschen der Fall. Die Höhe der Vergütungen ist in den vergangenen Jahren zwar gesunken, wird aber öfter als angemessen empfunden. Mehr als 25 % der Engagierten bemerkten zudem, dass Tätigkeiten mit Nähe zum Beruf des Freiwilligen, also ähnlichem Arbeitsspektrum nebeneinander freiwillig und bezahlt ausgeführt werden. Die befragten Engagierten haben allerdings nicht den Eindruck, dass freiwilliges Engagement reguläre Arbeitsplätze verdrängt.

Fazit und Ausblick. Im internationalen Vergleich hat Deutschland durchaus eine ausgeprägte Zivilgesellschaft und liegt quantitativ betrachtet hinter den USA, Norwegen, Schweden und Holland. Gemeinsam mit der Schweiz, Österreich und Dänemark erreicht Deutschland einem mittleren Platz, vor Großbritannien und Frankreich. Insbesondere junge Menschen mit hohem Bildungsniveau spielen dabei eine wichtige Rolle. Daher werfen wir nun einen genaueren Blick auf das Engagement von Studierenden an deutschen Hochschulen.